Texte zum Chorkonzert „Wie schön hier zu verträumen …“

Heinrich von Herzogenberg: 4 Notturnos

Gedichte von Joseph von Eichendorff

Op. 22, Nr. 1
Wär’s dunkel, ich läge im Walde,
Im Walde rauscht’s so sacht,
Mit ihrem Sternenmantel
Bedecket mich die Nacht!

Da kommen die Bächlein gegangen,
Ob ich schon schlafen thu?
Ich schlaf nicht, ich höre noch lange
Den Nachtigallen zu,

Wenn die Wipfel über mir schwanken,
Es klingt die ganze Nacht!
Das sind im Herzen die Gedanken,
Die singen, wenn Niemand wacht!

Op. 22, Nr. 2
Nacht ist wie ein stilles Meer,
Lust und Leid und Liebesklagen
Kommen so verworren her
In dem linden Wellenschlagen.

Wünsche wie die Wolken sind,
Schiffen durch die stillen Räume,
Wer erkennt im lauen Wind,
Ob es Gedanken oder Träume?

Schließ‘ ich nun auch Herz und Mund,
Die so gern den Sternen klagen,
Leise doch im Herzensgrund
Bleibt das linde Wellenschlagen.

Nacht ist wie ein stilles Meer!


Franz Schubert: Nachthelle

Gedicht von Johann Gabriel Seidl

Die Nacht ist heiter und ist rein
Im allerhellsten Glanz.
Die Häuser schau’n verwundert drein,
Steh’n übersilbert ganz.

In mir ist’s hell so wunderbar,
So voll und übervoll,
Und waltet drinnen frei und klar
Ganz ohne Leid und Groll.

Ich fass‘ in meinem Herzenshaus
Nicht all‘ das reiche Licht,
Es will hinaus, es muss hinaus,
Die letzte Schranke bricht.


Max Reger: Zur Nacht

Gedicht von Franz Johann August Hermann Engel

Nun fallen die Augen
Müde mir zu.
Komm, Engel des Schlummers,
Hüte die Ruh
Komm halte am Bette
Freundliche Wacht
Und kosige Träume
Webe, o Nacht!
Und schlürfe, was nimmer,
Seele, wohl Du
Geatmet im Lichte:
Friede und Ruh.


Johannes Brahms: Der Abend op. 64, Nr. 2

Gedicht von Friedrich Schiller

Senke, strahlender Gott, die Fluren dürsten
Nach erquickendem Tau, der Mensch verschmachtet,
Matter ziehen die Rosse,
Senke den Wagen hinab.

Siehe, wer aus des Meers krystall‘ner Woge
Lieblich lächelnd Dir winkt! Erkennt Dein Herz sie?
Rascher fliegen die Rosse,
Thetys, die göttliche, winkt.

Schnell vom Wagen herab in ihre Arme
Springt der Führer, den Zaum ergreift Kupido,
Stille halten die Rosse,
Trinken die kühlende Flut.

An dem Himmel herauf mit leisen Schritten
Kommt die duftende Nacht: ihr folgt die süße
Liebe. Ruhet und liebet,
Phöbus, der liebende, ruht.


Johannes Brahms: O schöne Nacht op. 92, Nr. 1

Gedicht von Georg Friedrich Daumer

O schöne Nacht!
Am Himmel märchenhaft
Erglänzt der Mond in seiner ganzen Pracht.
Um ihn der kleinen Sterne liebliche
Genossenschaft.

O schöne Nacht!

Es schimmert hell der Tau
Am grünen Halm; mit Macht
Im Fliederbusche schlägt die Nachtigall;
Der Knabe schleicht zu seiner Liebsten sacht -
O schöne Nacht!


Josef Rheinberger: Die Wasserfee

Gedicht von Hermann von Lingg

Endlos über Wasser hauchen
Nebel, dem Gestade nah
Möwen aus der Woge tauchen,
Dämmerung und Nacht ist da.

Und die Wellen schießen her und hin;
Wie sie grüßen, wie sie flieh’n
In wie süßen Melodien.
Horch im See, die Wasserfee!

Sturmhell dunkel glüh’n die Wogen,
Sind es Seelen, die hinab,
Um ihr Erdenglück betrogen,
Liebe zog‘ ins feuchte Grab?

Siehst Du sie dort winken, Fisch und Maid,
In der Linken, Hoch das Kleid,
Gürtel blinken und Geschmeid?
Horch im See, die Wasserfee!

Sehnlich von den bleichen Lippen,
Von den Lippen blass und bleich,
Klagt es in Gestein und Klippen,
Um’s verlorne Himmelreich:

„Alles unser Leben ist nur Fleh’n,
Weinend Weben, singend Weh’n,
Klag‘ erheben und vergeh’n.“
Horch im See, die Wasserfee!

Augenlockendes Gelüste
Schaut herauf voll Liebespein,
Wellen rauschen um die Brüste
Und wie Harfen klingt’s darein

Und es flüstert bange: „O Komm und scherz!
Ich verlange Dein mit Schmerz,
Rothe Wange, fühlend Herz.“
Horch im See, die Wasserfee!


Johannes Brahms: Nächtens op. 112, Nr. 2

Gedicht von Franz Theodor Kugler

Nächtens wachen auf die irren,
Lügenmächt’gen Spukgestalten,
Welche Deinen Sinn verwirren.

Nächtens ist im Blumengarten
Reif gefallen, das vergebens
Du der Blumen würdest warten.

Nächtens haben Gram und Sorgen
In dein Herz sich eingenistet
Und auf Tränen blickt der Morgen


Johannes Brahms: Abendlied op. 92, Nr. 3

Gedicht von Friedrich Hebbel

Friedlich bekämpfen
Nacht sich und Tag.
Wie das zu dämpfen,
Wie das zu lösen vermag.

Der mich bedrückte,
Schläfst Du schon, Schmerz?
Was mich beglückte,
Sage, was war’s doch, mein Herz?

Freude wie Kummer,
Fühl ich, zerran,
Aber den Schlummer
Führten sie leise heran.

Und im Entschweben,
Immer empor,
Kommt mir das Leben
Ganz wie ein Schlummerlied vor.


Max Reger: Abendlied

Gedicht von Nikolaus Lenau

Friedlicher Abend senkt sich aufs Gefilde,
sanft entschlummert Natur. Um ihre Züge
Schwebt der Dämm’rung zarte Verhüllung, und sie
Lächelt, die Holde.

Lächelt, ein schlummernd‘ Kind in Vaters Armen,
Der voll Liebe zu ihr sich neigt; sein göttlich‘
Auge weilt auf ihr, und es weht sein Odem
Über ihr Antlitz.


Franz Schubert: Ständchen

Gedicht von Franz Grillparzer

Zögernd leise,
In des Dunkels nächt’ger Stille
Sind wir hier,
Und den Finger sanft gekrümmt,
Leise, leise,
Pochen wir an des Liebchens Kammerthür.

Doch nun steigend,
Schwellend, schwellend, hebend
Mit vereinter Stimme laut
Rufen aus wir hochvertraut:
Schlaf du nicht,
Wenn der Neigung Stimme spricht.

Sucht‘ ein Weise nah und ferne
Menschen einst mit der Laterne,
Wie viel seltner dann als Gold,
Menschen uns geneigt und hold?
Drum, wenn Freundschaft, Liebe spricht,
Freundin, Liebchen schlaf du nicht.

Aber was in allen Reichen
Wär‘ dem Schlummer zu vergleichen?
Drum statt Worten und statt Gaben
Sollst Du nun auch Ruhe haben,
Noch ein Grüßchen,noch ein Wort,
es verstummt die frohe Weise
leise schleichen wir uns wieder fort.


Heinrich von Herzogenberg: 4 Notturnos

Gedichte von Joseph von Eichendorff

Op. 22, Nr. 3
Zwei Musikanten zieh‘n daher
Vom Wald aus weiter Ferne,
Der eine ist verliebt gar sehr,
Der and‘re wär es gerne.

Die steh‘n allhier im kalten Wind
Und singen schön und geigen,
Ob nicht ein süß verträumtes Kind
Am Fenster sich wollt’s zeigen?

Und durch das Fenster steigen ein
Waldrauschen und Gesänge,
Da bricht der Sänger mit herein
Im seligen Gedränge.

Op. 22, Nr. 4
Wie schön hier zu verträumen
Die Nacht im stillen Wald,
Wenn in den dunklen Bäumen
Das alte Märchen hallt!

Die Berg‘ im Mondesschimmer
Wie in Gedanken steh’n
Und durch verworr’ne Trümmer
Die Quellen klagend geh’n.

Denn müd‘ ging auf den Matten,
Die Schönheit nun zur Ruh‘,
Es deckt mit kühlen Schatten,
Die Nacht das Liebchen zu.

Das ist das irre Klagen
In stiller Waldespracht,
Die Nachtigallen schlagen
Von ihr die ganze Nacht.

Die Stern‘ gehen auf und nieder,
Wann kommst Du Morgenwind,
Und hebst die Schleier wieder
Von dem verträumten Kind?

Schon rührt sich’s in den Bäumen,
Die Lerche weckt sie bald!
So will ich treu verträumen
Die Nacht im stillen Wald.