Ausstellung auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
ab Donnerstag, 09.09.2021
Die Auszeichnung mit dem renommierten Turner Preis im Jahr 2019 machte den britisch-libanesischen Künstler Lawrence Abu Hamdan einer großen Öffentlichkeit bekannt. Die Selbstzuschreibung als „private ear“ – als „Klangermittler“ – umfasst konstitutive Elemente seiner Arbeit als Künstler und Klangforscher, die investigative Untersuchungen mit der Entwicklung von experimentellen Klangräumen verbindet. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen, insbesondere durch seine Arbeit u. a. mit Forensic Architecture, existentielle Situationen.
In der Ausstellung Saydnaya, zu der wir Sie herzlich einladen möchten, werden zwei seiner Schlüsselwerke gezeigt: In der Schule des Sehens wird Saydnaya (the missing 19db) akustisch in das Militärgefängnis Saydnaya führen, in der Black Box wird After SFX, zuerst gezeigt in den Tate Modern Tanks im Jahr 2018, ausgestellt – ein nicht endender Strom akustischer Erinnerungen an Gewalt.
Donnerstag, 09.09.2021 | 17 Uhr | Roter Saal
Eröffnung der Ausstellung
Roter Saal der Hochschule für Musik Mainz
Anmeldungen bitte unter ars@uni-mainz.de
Dienstag, 28.09.2021
18:30 Uhr | Rundgang Schule des Sehens und Black Box
19:30 Uhr | Midissage in Anwesenheit des Künstlers
Roter Saal der Hochschule für Musik Mainz
Jakob-Welder-Weg 28
Anmeldungen bitte unter ars@uni-mainz.de
Bitte beachten Sie auch die aktuell geltenden Regelungen für Veranstaltungen in der HfM.
Die vorhandenen Sounds stellten sich aber als zu unpräzise und unflexibel heraus. Seitdem entwickelt Abu Hamdan sein eigenes „Earwitness Inventory“, eine akustische Bibliothek, die speziell als Gedächtnisstütze verwendet werden soll. Die gesammelten Sounds umfassen sowohl Geräusche, die in seinen Interviews mit Ohrenzeugen verwendet wurden, um die Nachstellung von Verbrechen zu erleichtern, als auch Geräusche, bei denen überraschende Klanganalogien auftauchten, beispielsweise wenn der Einsturz eines Gebäudes in eine Doline „wie Popcorn klingt“.
After SFX nutzt Klänge aus dieser Soundeffekt-Bibliothek um verschiedene Aspekte von Klangcodierung und Klangerinnerung in unseren Köpfen zu untersuchen.
Donnerstag, 09.09. bis Donnerstag, 30.09. | Black Box
Öffnungszeiten: täglich 14-19 Uhr
Eintritt frei. Bitte beachten Sie die für Veranstaltungen derzeit geltende 3-G-Regel.
Das Gefängnis, in dem seit Beginn der Proteste im Jahr 2011 über 13.000 Menschen hingerichtet wurden, ist für unabhängige Beobachter unzugänglich. Die Erinnerungen der Wenigen, die überlebt haben und freigelassen wurden, ist die einzige Quelle, um von den dort stattfindenden Verbrechen zu erfahren und sie zu dokumentieren. Allerdings war es den Häftlingen fast unmöglich gemacht, Saydnaya mit eigenen Augen zu sehen, da sie fast ausschließlich im Dunkeln oder mit verbundenen Augen gefangen waren, bzw. gezwungen wurden, ihre Augen zu bedecken. Infolgedessen entwickelten die Häftlinge eine große Sensibilität für die sie umgebenden Geräusche. Mithilfe dieser „Ohrenzeugen“ konnte Abu Hamdan die Architektur des Gefängnisses rekonstruieren und Einblicke in die Vorgänge im Inneren gewinnen.
Die Installation Saydnaya (the missing 19db) besteht aus einer Klangarbeit und einem Leuchtkasten. Das Klangstück wird in einem abgedunkelten Raum von einem schwach beleuchteten Mischpult / Soundboard abgespielt, auf dem die Lautstärkeregler motorisiert sind und sich entsprechend den Stimmen, die man im Raum hört, autonom bewegen. Der Leuchtkasten dokumentiert, wie das Flüstern der Häftlinge nach den Protesten 2011 viermal leiser wurde. Der Rückgang der Sprechfähigkeit um 19 Dezibel zeugt von der Verwandlung Saydnayas von einem Gefängnis in ein Todeslager.
Donnerstag, 09.09. bis Freitag, 22.10.2021 | Schule des Sehens (Jakob-Welder-Weg 18)
Öffnungszeiten: 09.09.-30.09.: täglich 14-19 Uhr
01.10.-22.10.: Dienstag bis Samstag 14-19 Uhr
Eintritt frei. Bitte beachten Sie die für Veranstaltungen derzeit geltende 3-G-Regel.
Lawrence Abu Hamdan schloss sein Bachelorstudium in Sonic Arts 2007 an der Middlesex University in London ab, sein Masterstudium am Centre for Research Architecture des Goldsmith College der University of London schloss er 2010 mit dem Master of Arts ab. 2016 wurde ihm ebenfalls vom Goldsmith College für seine Thesis Aural contract: investigations at the threshold of audibility der PhD verliehen.
Die Auszeichnung mit dem renommierten Turner Preis im Jahr 2019 machte den Künstler Lawrence Abu Hamdan einer großen Öffentlichkeit bekannt. Die für die Nominierung des Preises ausgewählte Ausstellung Earwitness Theatre, die unter anderem am Institute of Modern Art in Brisbane, dem Contemporary Art Museum St. Louis, dem Witte de With Center for Contemporary Art in Rotterdam, den Tate Modern Tanks in London und der Chisenhale Gallery in London gezeigt wurde und die Video-Installation Walled Unwalled und weitere Arbeiten weisen ihn als Grenzgänger zwischen Technik und Kunst aus, als „Audioermittler“, der sich immer wieder mit forensischen Untersuchungen - z.B. in Zusammenarbeit mit der Agentur Forensic Architecture am Goldsmith College - beschäftigte. So gelang es Lawrence Abu Hamdan in Zusammenarbeit mit Amnesty International und Forensic Architecture, auf der Grundlage von Ohrenzeugen, die im Gefängnis von Saidnaya in Syrien inhaftiert waren, die bis dahin unbekannte Architektur des Gebäudes zu rekonstruieren.
2016 erhielt er den Nam June Paik Award, im Jahr 2019 wurde ihm der Edvard Munch Award zugesprochen.
Seine Werke sind in die Sammlungen bedeutender Museen, darunter MoMA, Guggenheim Museum, Van Abbe Museum Eindhoven, Centre Pompidou und Tate Modern aufgenommen.
Foto © Myriam Boulos
Website des Künstlers: http://lawrenceabuhamdan.com