Musik & Kirche 4/2021: Rezension der CD-Produktion zu J.C.H. Rinck

Geglückte Premiere

Johann Christian Heinrich Rinck: Orgelwerke. Studierende der Abteilung Kirchenmusik/Orgel der Hochschule für Musik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz spielen an der Dreymann-Orgel (1837) in St. Ignaz, Mainz. Coviello Classics COV92101 (2 CD).

Als Komponist, Orgelvirtuose, Verfasser einer mehrbändigen Orgelschule und Ratgeber im Dienst des Großherzogs Ludwig I. von Hessen-Darmstadt war Johann Heinrich Christian Rinck (1770–1846) eine der herausragenden Persönlichkeiten der Kirchenmusikgeschichte des 19. Jahrhunderts. Er wäre es wert gewesen, dass 2020 sein 250. Geburtsjubiläum groß gefeiert worden wäre, aber vor lauter Beethoven ging das Jubiläum des berühmten Darmstädter Organisten fast unter.

Umso verdienstvoller ist das Projekt, das Gerhard Gnann im pandemischen Jahr 2020 mit seiner Orgelklasse an der Mainzer Musikhochschule, unterstützt von der Christian-Heinrich-Rinck-Gesellschaft Darmstadt, aus der Taufe gehoben hat: Zusammen mit seinen Studenten spielte er auf einer prallvollen Doppel-CD Rincks Orgelwerke erstmals ein (manche als Ersteinspielungen). Aufgenommen wurden sie in der Mainzer St. Ignaz-Kirche auf der 1837 von Bernhard Dreymann erbauten Orgel, die von 2015 bis 2018 durch Eule-Orgelbau von Grund auf restauriert wurde. Diese Kooperation eines Hochschullehrers mit seiner Orgelklasse ist eine Premiere – musikalisch rundum geglückt, und es ist ein Vergnügen, diese zwei CDs komplett durchzuhören. Das einzige Orgelwerk, das Gnann selbst aufgenommen hat, eröffnet diese Einspielung: Temperamentvoll und virtuos geht er das Orgelkonzert c-Moll an, mit geatmeten Übergängen und einer „sanguinischen“ Musizierweise, wie sie der Kompositionsweise Rincks ausgezeichnet zustattenkommt.

Die Werkdisposition der zwei CDs ist überlegt, die dramaturgischen Übergänge und Zusammenhänge sind sorgfältig disponiert und lassen auch die tonalen Zusammenhänge der einzelnen Stücke nicht außer Acht. Ähnlich verhält es sich mit der Registrierung der einzelnen Stücke, die wohlüberlegt viele Farben aus dieser grundstimmig angelegten Orgel herausholt: Kaum ein Forte klingt wie das andere, die teilweise ungewöhnlichen Registermischungen sind sehr schön auf die einzelnen Stücke angepasst.

Die Spielweise der acht Studentinnen und Studenten und ihres Lehrers ist sehr gut auf den halligen Kirchenraum abgestimmt, die Aufnahmetechnik findet die ideale Mitte zwischen Präsenz des Instruments und Raumklang. Das zweisprachige Programmheft enthält Lesenswertes zum Leben Rincks und zum Instrument, allerdings keine Dispositionen. Die CD hätte auch beim Punkt „Interpretation“ fast fünf Sterne erreicht, denn es sind nur ganz kleine Interpretationsunterschiede, die die bestens angeleiteten Studenten von ihrem Lehrer unterscheiden. Wenn sie über noch größere Erfahrung verfügen, werden sie sich mehr agogische und interpretatorische Freiheiten erlauben – Weiter so!

Jörg-Hannes Hahn

aus: Musik & Kirche 4/2021, www.musikundkirche.de